51 PROZENT
Gehört haben Sie es schon öfter, nicht wahr? Frauen machen 51 Prozent der Menschheit aus, also die Mehrheit. Gemerkt haben Sie es vielleicht nicht. Noch nicht.
Je mehr sich die Gesellschaft dieser Tatsache bewusst wird, desto einfacher wird es für Frauen sein, sich bei allen gesellschaftspolitischen Entscheiden einzubringen – auf Augenhöhe! Es wäre das Resultat eines der wichtigsten Megatrends, «Female Shift», der vor ungefähr viereinhalb Jahrzehnten begonnen hat.
«Female Shift» ein Megatrend mit bedeutsamen Folgen
Weltweit haben junge Frauen ihre Geschlechtsgenossen in Bezug auf Bildung überholt. «Female Shift» ist die Konsequenz aus dieser Entwicklung: eine langsame, aber irreversible Verlagerung von Kompetenzen, Einflussnahme und Verantwortung von den Männern zu den Frauen. Noch nie hat es so viele hervorragend ausgebildete, engagierte und ambitionierte Frauen gegeben, die bereit sind, Gipfel zu erklimmen und sich dort oben einzurichten.
Ihnen steht eine Generation von jungen Männern gegenüber, deren Antriebslosigkeit sie in Bezug auf schulische Leistungen kaum konkurrenzfähig gemacht hat. Diese Apathie ist inzwischen erforscht und hat zum Teil medizinische Gründe. Aber vor allem fehlten diesen jungen Männern männliche Vorbilder, an denen sie sich orientieren konnten und denen sie nacheifern wollten. Und so ist eine unmittelbare positive Folge dieser Entwicklung auch der Trend zum „neuen Mann” und zu „neuen Vätern”, wie sie die «Millennials», die nach 1980 Geborenen, schon ansatzweise verkörpern.
Mit mehr Frauen in Entscheidungsfunktionen in allen Lebensbereichen wird sich jedoch vieles ändern. Der deutsche Trendforscher Matthias Horx hat das so formuliert:
„Der Megatrend «Frauen» wird unsere Gesellschaft tiefgreifend verändern. Er transformiert unser gesamtes Leben – die Art wie wir leben, arbeiten und wohnen werden. Bei diesem Megatrend geht es nicht um die Integration der unterrepräsentierten Zielgruppe «Weiblich» in ein bestehendes System und bestehende Märkte, sondern um eine grundlegend andere Art, die Welt zu sehen und zu strukturieren.”
Auf dieser Seite finden Sie Hinweise, die den Megatrend «Female Shift» (FS) bebildern und nachvollziehbar machen. Sie sollen Frauen und Männer dazu anregen, sich mit einer Zukunft auseinanderzusetzen, die einiges an Umdenken bereithält.
„Grit & Grace“
Meryl Streep im Stars ’n‘ Stripes-Hemd beim Parteitag der Demokraten in Philadelphia. Foto: Shawn Thew
Was brauchen Pionierinnen?
Hollywood-Ikone Meryl Streep hat uns wunderbare Frauenporträts gegeben, hat sich für Frauen auf verschiedenen Ebenen in Hollywood eingesetzt und gilt als eine der integersten und engagiertesten Frauen im amerikanischen Filmgeschäft.
Am 27. Juli 2016 hat die Schauspielerin mit ihrer Rede am Parteitag der Demokraten in Philadelphia Geschichte geschrieben. Ihre rhetorische Frage, was es braucht, um als Frau irgendetwas zu sein, was vor ihr noch nie eine Frau gewesen ist, hat sie in genau sieben Wörtern gleich selbst beantwortet:
“What does it take to be the first female anything?
It takes grit and it takes grace.”
Sieben Wörter und ein Stabreim = Englisch. Schwierig zu übersetzen. Grit = Schneid, Mut, Mumm, aber auch Charakterstärke, Durchhalte- und Stehvermögen. Und grace? Grosszügigkeit, Liebenswürdigkeit, Gelassenheit und sogar Grossmut, wie ich heute gelesen habe – oder eine Kombination von all dem. Bleiben wir doch bei den beiden einsilbigen, aussagekräftigen Wörtern; sie werden in die Geschichte eingehen! Brava!
———-
/
So könnte Zukunft aussehen…
CONGRATULATIONS, HILLARY!
Als sich die Firma L’Oréal – meines Wissens als erste – vor ca. neun Jahren entschloss, ihre Werbung neu zu gestalten und auf die Frauen zuzuschneiden, die nicht nur zu ihrem Alter stehen, sondern auch über eine gewisse Kaufkraft verfügen, tat sie das mit einem Werbespot, in dem Jane Fonda ihren Text beendete mit den Worten: „I’m 68. Not bad, is it?“
Derselbe Text passt auf Hillary Clinton, die sich allerdings einer etwas grösseren Aufgabe gegenübersieht. Auch sie 68 – and no, it isn’t bad at all. Und es stehen ihr noch fünf Monate eines schrecklichen Wahlkampfes bevor… Wenn es auch Auszeichnungen für Durchhaltevermögen gibt, sie hätte heute eine verdient.
/
Ein gesellschaftspolitisches Thema wird aufgemischt
«Die Recherche»
Ein Dossier über die Chancen der Gleichberechtigung – für Frau und Mann
Die Südeutsche Zeitung, eines der besten Print-Medien im deutschsprachigen Raum, hat sich eines Themas angenommen, das bei vielen eigentlich nur noch Gähnen auslöst: „Wieviel Gleichberechtigung brauchen wir noch?“
Sinnvollerweise kommen in diesem gross angelegten Dossier auch Männer zu Wort, inkl. Beiträge mit provozierenden Titeln wie «Wir Männer, die Feministen» (Prominente zur Gleichberechtiung), geschrieben von einem Mann, oder «Männer müssen Feministen werden», verfasst von einer Journalistin, die festhält: Es ist ein Missverständnis, dass sich der Kampf um Gleichberechtigung gegen Männer richtet. Der Feminismus kann Männer und Frauen befreien.
„The more I have talked about feminism, the more I’ve realized that fighting for women’s rights has too often become synonymous with man-hating. If there is one thing I know for certain, it is that this has to stop.“
Das kann nicht oft genug betont werden. Die von ihr mitgestaltete Bewegung «HeForShe» haben bereits 700’000 Männer weltweit unterschrieben – es ist eine Einladung an Männer, sich zum Engagement für Chancengleichheit zu bekennen.
Und das scheint ein Mann in einer hohen Entscheidungsfunktion begriffen zu haben: Justin Trudeau, der junge kanadische Ministerpräsident, dessen Kabinett von 30 Mitgliedern zur Hälfte aus Frauen besteht und der damit ein Wahlversprechen eingelöst hat. Macht sein Beispiel Schule? Hillary Clinton hat vor ein paar Tagen verlauten lassen, dass sie im Falle eines Wahlsiegs die Hälfte der Regierungsposten mit Frauen besetzen will. „Ich werde ein Kabinett haben, das wie Amerika aussieht, und 50 Prozent von Amerika sind Frauen“, erklärte die Demokratin bei einem Bürgertreffen in Philadelphia. Beide Politiker haben damit gezeigt, dass sie den Zeitgeist begriffen haben: Schon längst ist diese Diskussion keine Frauenfrage mehr, sondern gesellschaftgspolitischer Mainstream.
Wir müssen daher wirklich einen Effort machen, die Diskussion zu entgiften und mit sachlichen Argumenten nach einer Antwort auf die o.e. Frage der «Recherche» suchen. Dazu gehören auch Überlegungen, inwieweit man eine Sprache zurechtbiegen kann – ein ausgezeichneter Artikel dazu ist vor kurzem in der NZZ erschienen, den ich Ihnen wärmstens empfehle: „Liebe/r Leser*in“.
Ach ja, ich gehöre inwischen zu den Menschen, die genug haben von der Gleichheitsdiskussion, weil sie Zeit, Nerven und Engagement kostet und nach wie vor nur magere Resultate hervorbringt, wie die Endlosdiskussion um die Quote immer noch beweist. Ausgenommen ist dabei natürlich der Bereich Lohn- und Chancengleichheit bei Bewerbungen und Beförderungen, für dessen Missachtung es keine Entschuldigung gibt. Aber ich bin der Ansicht, dass ein Strategiewechsel angesagt ist: Frauen sollten ihr Anders-Sein, ihr anderes Denken, ihren anderen Erfahrungsschatz in den Vordergrund rücken, denn dann können sie sich mit ihrem weiblichen Blick auf Lösungsansätze zu den Problemen, die wir zur Zeit in jeder Ecke der Welt haben, einbringen. Doch darüber an anderer Stelle mehr.
—–
/