Fokus: Europa

Foto: bpb.de

Europa? Europa!

Wenn Sie bekennende(r) Europäerin oder Europäer sind, lesen Sie weiter und öffnen Sie den einen oder anderen LINK– Sie werden sich hier in guter Gesellschaft befinden.

Wenn Ihnen Europa ziemlich egal ist, sollten Sie wenigstens wissen, warum so viele Europäer am letzten Wochenende gezittert und die neue Woche mit einer gewissen Erleichterung begrüsst haben.

Wenn Sie Europa einzig und allein mit der reformbedürftigen EU gleichsetzen und gerne in den Grabgesang dieser Institution einstimmen, sollten Sie trotzdem weiterlesen – schliesslich muss man auch bei seinen Feindbildern auf dem letzten Wissensstand sein…

 

Europatag 2017

Aufbauend auf einer Idee von Jean Monnet schlug Frankreichs Außenminister Robert Schuman am 9. Mai 1950 in seiner Pariser Rede vor, eine Produktionsgemeinschaft für Kohle und Stahl zu schaffen. Diese wurde als Schuman-Erklärung bekannt und mündete in die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS), auch Montanunion genannt, die den Grundstein der heutigen Europäischen Unios bilden sollte.
Zur Erinnerung an dieses Ereignis begeht man am 9. Mai jedes Jahres den Europatag der Europäischen Union.
(wikipedia)

Ein passender Moment, sich neben der geradezu obsessiven Beschäftigung mit dem derzeitigen Präsidenten der USA wieder einmal umfassender mit Europa zu beschäftigen. Sie finden also auf der Seite «Europa? Europa!» Hinweise zu einem Thema, das – pro oder kontra – kaum jemanden kalt lässt, wie das letzte Wochenende einmal mehr bewiesen hat.


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Europäische Geschichte

Haus der Europäischen Geschichte

Ein Ort, um über Europas Geschichte zu diskutieren, nachzudenken und Fragen zu stellen

Am ersten Mai-Wochenende 2017 ist das «Haus der Europäischen Geschichte» in Brüssel eröffnet worden – am Ende einer zehnjährigen Entstehungszeit! Wenn Sie sich also für die Geschichte Europas interessieren und zufällig in Brüssel sind, dürfte sich ein Besuch in dieser neuen, wichtigen Institution sicher lohnen.

Von Mythen und Entdeckungen bis zum Chaos des 20. Jahrhunderts und der nachfolgenden Annäherung nimmt das Haus der Europäischen Geschichte die Besucher auf eine Reise durch die europäische Geschichte mit und fordert sie auf, über die Zukunft Europas nachzudenken.

Das Haus der Europäischen Geschichte ist im frisch renovierten Eastman-Gebäude im Parc Léopold, mitten im Grünen untergebracht. Seine Ausstellungen werden in allen 24 Amtssprachen der Europäischen Union verfügbar sein. Der Eintritt ist frei. Für Schulen, Familien und Gruppen wird es speziell auf sie ausgerichtete Angebote geben, so dass der Besuch im Haus der Europäischen Geschichte für alle Besucher zu einem faszinierenden Erlebnis wird. (Haus der Europäischen Geschichte)

 ÖFFNUNGSZEITEN

  • Montag: 13.00 bis 18.00 Uhr
  • Dienstag bis Freitag: 00 bis 18.00 Uhr
  • Samstag und Sonntag: 00 bis18.00 Uhr

Das Museum hat an folgenden Tagen geschlossen:
1. Januar, 1. Mai, 1. November, 24., 25. und 31. Dezember.

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«Der Holocaust wird abstrakte Geschichte»

Wie wichtig diese Quellen europäischer Geschichte sind, zeigt unter anderem ein Artikel von Aram Mattioli, Geschichtsprofessor an der Universität Luzern, vom 9. Mai; er hält fest, was es bedeutet, wenn die letzten Überlebenden der Nazi-Konzentrationslager sterben.

Gleichzeitig findet an der ETH Eidgenössischen Technischen Hochschule in  Zürich eine Ausstellung zu diesem Thema statt:

Die Ausstellung

Es existieren keine genauen Zahlen darüber, wie viele Überlebende des Holocaust es heute noch gibt. Gemäss einem Report der jüdischen Claims Conference waren es 2013 weltweit 425 000. Heute soll es in Israel noch rund 250 000 Shoah-Überlebende geben, in der Schweiz zwischen 100 und 300.
Zwölf von ihnen sind in der Ausstellung «The Last Swiss Holocaust Survivors» porträtiert. Fotograf Beat Mumenthaler hat eindrückliche Grossporträts geschaffen, und der Regisseur Eric Bergkraut hat die Erzählungen und Erinnerungen gefilmt.
Unter den letzten Zeugen ist die bekannte Zürcher Literaturagentin Eva Koralnik, die als Kind die Verfolgung dank Schweizer Rettern in Budapest überlebte, ebenso wie Agnes Hirschi, die Stieftochter des Budapester «Judenretters» Carl Lutz. Historiker Daniel Gerson, dessen polnischer Vater im KZ inhaftiert war, vertritt die sogenannte zweite Generation, die unter den Traumata der Eltern zu leiden hatte.
Alle Zeugen sitzen in derselben Kulisse und sprechen, ohne unterbrochen zu werden. Bei jenen, die das Lager überlebt haben, ist es die stets präsente Erinnerung an die Angehöri
gen, die nicht überlebt haben. Und damit die quälende Frage, ob das einem selber eine Schuld auflade. (ckr)

Bis 3. Juni im Archiv für Zeitgeschichte an der ETH Zürich.

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Karlspreis 2017 geht an Timothy Garton Ash

Apropos Historiker: Einer meiner kontemporären Lieblingshistoriker ist Timothy Garton Ash, Professor am St. Anthonys College in Oxford und an der Stanford University an der amerikanischen Westküste und äusserst lesbarer Autor.

Sein jüngstes Buch heisst schlicht «Redefreiheit», empfehlenswerte Lektüre, für die er an verschiedenen Orten der Welt selbst recherchiert hat. “Sein umfangreiches, kluges, gut geschriebenes Buch mit anregenden Vorschlägen dürfte einer der wichtigsten Beiträge zu einem liberalen Miteinander sein,” meint Alexander Kluy in seiner Buchbesprechung für das «Buchmedia» Magazin.

Das Brexit-Votum der Briten hat er als „grösste Niederlage seines politischen Lebens“ bezeichnet. Im Gegensatz zu seinen Landsleuten ist Ash nämlich bekennender Europäer: Dafür wird ihm auch am 25. Mai der «Karlspreis», eine der höchsten Auszeichnungen in Europa, verliehen.

Wenn Sie eine Kostprobe von Timothy Garton Ash lesen wollen, bevor Sie die 736 Seiten seiner «Redefreiheit» in Angriff nehmen, empfehle ich Ihnen das lesenswerte Interview, das Christof Münger im Zürcher «Tages-Anzeiger» vom 21. April gemacht hat: «Diese Wahl ist bereits der Final». Es endet so:

 “Sie bekommen in einem Monat den Karlspreis. Unter den bisherigen Preisträgern sind George Marshall, Winston Churchill oder Angela Merkel sowie zwei Päpste. Was werden Sie bei der Zeremonie in Aachen am 25. Mai sagen?
Das frage ich mich auch, denn es ist eine grosse Ehre, aber auch eine Verpflichtung. Es ist wohl kein Zufall, dass man in diesem Jahr diese Auszeichnung nicht einem Politiker, sondern einem Intellektuellen gibt, und zwar einem englischen Intellektuellen. Von mir wird eine klare und vor allem ehrliche Analyse erwartet. Deren Inhalt hängt aber davon ab, was nun in Frankreich passiert. Deshalb kann ich Ihre Frage noch nicht beantworten.”

Da darf man ja gespannt sein…

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„Eine Scheidung nach 44 Jahren Ehe ist kein Erfolg“

EU_Chefunterhändler für den Brexit: Michel Barnier

Überhaupt: der Brexit. Der ist immer wieder gut für Empörung, Enttäuschung oder düstere Vorhersagen. Dazu ein Beispiel aus der jüngsten Verhandlungsgeschichte:

“Theaterdonner gehört dazu, wenn man sich am Ende möglichst in der Mitte treffen soll. Doch selten sind die Vorzeichen so ungünstig wie vor dem Start der Verhandlungen zwischen Grossbritannien und der Rest-EU über den Brexit. Einige pflegten die Illusion, dass der Brexit ohne materielle Auswirkungen auf das Leben der Europäer sein werde und ­Lösungen einfach gefunden werden könnten, mahnte der EU-Chefunterhändler Michel Barnier gestern an die Adresse der britischen Regierung. Das werde aber nicht der Fall sein.”

Der Franzose schickt diese Warnung nach Grossbritannien, wo Theresa May der EU vorschlägt, aus dem «Brexit» einen gemeinsamen “Erfolg” zu machen, während man in Brüssel von “Schadensbegrenzung” spricht. Jean-Claude Juncker soll zu dem Vorschlag bemerkt haben, eine Scheidung nach 44 Jahren Ehe könne kein Erfolg sein… Ganz offensichtlich sind die Folgen des Austritts auf der britischen Seite noch nicht ganz erfasst worden, und so befinden sich die beiden Parteien zur Zeit voll auf Kollisionskurs.

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Erleichterung  ja, Gewissheit nein

In Frankreich sind wir im Moment der Gefahr des Populismus, von dem wir täglich mindestens eine Dosis von der anderen Seite des Atlantiks bekommen, entronnen.

Aber statt Freude gibt es ungemein viele Stimmen, die vor den nächsten Schritten eines politisch eher unerfahrenen, jungen Präsidenten und einer rücksichtslosen Populistin warnen. «DAS MAGAZIN» (Nr. 14, 8. April 2017) des «Tages-Anzeigers» hat dem Populismus ein ganzes Heft gewidmet: «Frühling der Populisten. Ein sehr politisches Heft».

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Jakob Augstein, Verleger

Rettung der Demokratie durch linken Populismus?

Und der Verleger Jakob Augstein macht einen Vorschlag: den rechten Populismus mit einem linken zu bekämpfen.

Er erläutert seinen Vorschlag zur Rettung der Demokratie in einem Interview mit dem Titel «“Trump, Le Pen und Petry sind böse“ – diese Reaktion ist dumm. Warum nur ein linker Populismus die Demokratie noch vor dem Neoliberalismus und den nationalistischen Rechten retten kann.»

Immerhin ist hier mal jemand, der klar zwischen Rechts und Links unterscheidet:

„Ich halte diesen ewigen Hang, links und rechts gleichzusetzen, für falsch. Für mich macht es einen entscheidenden Unterschied, ob jemand eine positive oder eine negative Vision vorbringt. Ob Sie, wie die Linke, Politik gegen Starke machen oder, wie die Rechte, gegen Schwache. Wer sich in der Politik zusammenschliesst, um gemeinsam einen Widerstand zu überwinden, den ein Einzelner nicht überwinden kann, der hat nur recht, wenn er sich für die Schwachen einsetzt – nicht wenn er sich gegen sie wendet. Darin unterscheiden sich linke und rechte Politik fundamental. Ich finde es ethisch vertretbarer, den Banken Geld wegzunehmen, als dem Syrer, der aus Aleppo geflohen ist, die Einreise zu verweigern. Es ist ethisch und journalistisch nicht lauter, das auf eine Stufe zu setzen.“

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Foto: Hajji Baba

Der Pulsschlag Europas

Der Populismus wird Europa noch lange beschäftigen. Aber er kann auch als Weckruf gelten und etwas ganz anderes bewirken als das, was beabsichtigt ist.

Mit grosser Freude verfolge ich die Bewegung «Pulse of Europe», die der «Süddeutschen Zeitung» eine ganzseitige Reportage wert war: Mit dem fordernden Titel «Platz da» (Print-Version) beleuchtet sie das Engagement junger Deutscher, die einmal pro Woche, am Sonntag, in grösseren deutschen Städten auf die Strasse gehen: „Lange sah man auf Demos vor allem Angstmacher, die nur gegen etwas waren. Jetzt protestiert die Jugend. Für Europa. Für Frieden. Für die Auflösung von Wir und Die.“

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Sehen und hören statt lesen

Noch nicht genug von Europa? Dann führen Sie sich die Sendung «Der Club» im Schweizer Fernsehen zu Gemüte.

Am Europatag 2017 sind dort Befürworter und Gegner der Europäischen Union versammelt und diskutieren, laut und leidenschaftlich, die Zukunft der EU, die ja auch eng mit der Zukunft Europas verbunden ist.

60 Jahre EU: Der «Club» in Brüssel

Die EU hat Geburtstag, nur Partylaune will nicht aufkommen. Zu viele Krisen trüben die Stimmung. Wie steht‘s um das Friedensprojekt zu seinem Sechzigsten? Der «Club» unter der Leitung von Urs Gredig zum ersten Mal im Ausland, am Europatag direkt aus dem Europäischen Parlament in Brüssel.

 

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Martin Luther: Das 500-Jahr-Jubiläum

Eine Reformation, die ihren Namen verdient

Wer sich auf Martin Luther (1483-1596) einlässt, kann sicher sein, bis ans Ende seines/ihres Lebens Lesestoff zu haben. Ich weiss, wovon ich spreche, denn ich habe über ihn und seine Psalmenübersetzung im Vergleich mit derjenigen von Moses Mendelssohn dissertiert. Als ich anfing zu recherchieren, sah ich mich in der grossartigen Bibliothek der Columbia University in New York gefühlten Dutzenden von Kilometern Luther-Literatur gegenüber (und gerade mal zwei Büchern von Mendelssohn).

zeitgeschichte_luther_kleinZu der in fünf Jahrhunderten angesammelten Literatur gesellen sich jetzt all die Bücher, Artikel und Sendungen zum 500-Jahr-Jubiläum der Reformation, die im Oktober 1517 mit der Einladung zu einem kritischen Dialog über die damaligen Zustände in der Kirche, besonders den Ablasshandel, ihren Anfang nahm.

Empfehlen möchte ich Ihnen ein Magazin, das im Rahmen der Serie «ZEITGeschichte» erschienen ist. In gewohnter Qualität wird Ihnen hier ein Überblick über den Reformator, sein Tun und dessen Wirkung vermittelt, der Ihnen erlaubt, sich selbst ein Bild zu machen. Es war eine spannende Zeit, er war eine Aufsehen erregende Persönlichkeit, und die Meinungen über ihn gegen bis heute weit auseinander.


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…und immer noch: Brexit

timeshighereducation.com

Brexit = Britannien + Populismus?

„Der Entscheid des Vereinigten Königreichs, aus der Europäischen Union auszutreten, ist ein Schock – nicht zuletzt für die britische Bevölkerung selbst. Ist sie populistischen Vereinfachungen auf den Leim gekrochen?“

So hat Schweizer Radio SRF2 Kultur am 13. Juli gefragt und in einer einstündigen Radiosendung nach Antworten, Hintergründen und möglichen Zukunftsszenarien gesucht: Ansichten, Einsichten und Beobachtungen von Imogen Foulkes, BBC-Korrespondentin in der Schweiz, Anthony Glees, Director des Centre for Security and Intelligence Studies an der Universität von Buckingham, und Martin Alioth, dem Grossbritannien-Korrespondenten von SRF. Moderation: Monika Schärer.

Absolut hörenswert!


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Schlafwandelnd ins eigene Desaster?

Leidenschaftliche Rede im EU-Parlament: „Wir müssen etwas tun – oder wir sind am Ende“

Ein außergewöhnlicher Moment im EU-Parlament. Guy Verhofstadt, der Vorsitzende der Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa und ehemalige Premierminister Belgiens, hat mit der Europäischen Union abgerechnet. Aber anders als die verschiedenen Populisten, die ein Ende der EU fordern. Nämlich konstruktiv.

Eine Rede, an die man sich erinnern wird, meint die HUFFINGTON POST – und bringt die besten Ausschnitte in einem Video.

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Lesenswert ist aber auch diese persönliche Stellungnahme eines anderen EU-Kritikers, Wolfgang Streeck, Soziologe und Direktor emeritus am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung, Köln –, der sich in der «ZEIT» Nr. 28 zu der Frage „Ist der Brexit denn wirklich so schlimm?“ äussert. Seine Antwort: „Nein. Die Briten pfeifen zu Recht auf den Finanzinternationalismus ihrer Eliten.“ Lesen Sie, wie er dieses „zu Recht“ begründet.

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Und schliesslich ein Interview mit dem Philosophen Jürgen Habermas, der die Diskursethik schätzt und es als eine Verpflichtung ansieht, in wichtigen gesellschaftspolitischen Fragen nach Antworten zu suchen:

«DIE ZEIT», Nr. 29, 9. Juli 2016

Die Spieler treten ab

Kerneuropa als Rettung: Ein Gespräch über den Brexit und die EU-Krise.

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Brexit: „I Want my Money (Country, Life) back!“

Nigel Farage, der (ehemalige) Chef von UKIP, ist der bisher Letzte in einer Reihe von Briten, die sich lautstark und dezidiert aus der EU zurückziehen. Das war wohl kaum die Idee einer Europäischen Union, wie sie ursprünglich geplant war… Felix Brun, Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Nebs, möchte auch etwas zurückerhalten – was das ist, sehen Sie im Newsletter der Nebs vom 7. Juli 2016:

Liebe Leserin, lieber Leser                                                            

Ja, sie haben es getan: Die Briten sind raus. Oder zumindest möchten sie raus, raus aus der EU, raus aus Europa, raus aus der Geschichte. Kein anderes Land in Europa hat die Globalisierung und die Liberalisierung der Märkte so stark vorangetrieben wie Grossbritannien. Kein anderes Land hat die Mitgliedschaft in der EU an soviele Bedingungen geknüpft wie Grossbritannien. „I want my money back“, verkündete Premierministerin Margaret Thatcher 1984 in Fontainebleau. Sie bekam es. „We want our country back“, riefen die Brexiteers vor der Abstimmung vom 23. Juni. Sie bekamen es. „I want my life back“, meint jetzt Nigel Farage, der (ehemalige) Chef von UKIP und zieht sich aus der Politik zurück.

So macht man das. Doch was ist das für ein Zusammenleben, wenn jeder nur noch für sich selbst schaut, die Grenzen schliesst, sich der Verantwortung verweigert (respektive die Verantwortung auf alle anderen schiebt), sich zurückzieht in sein eigenes, beschauliches Dasein, ganz so, als hätte die Globalisierung nie stattgefunden, ganz so, als wäre das Konzept der Nationalstaaten nicht schon längst überholt? Und wer sind wir, uns ein Urteil zuzumuten? Wir sind ja selber nicht besser! Sind sie nicht unsere Brüder und Schwestern im Geiste, die Briten und Britinnen? Ach, wie schön, das Leben auf der Insel.

Nein! Ich will das nicht. Als ich vor zwei Jahren hier bei der Nebs zu arbeiten angefangen habe, war ich gegenüber der EU sehr skeptisch. Ich bin es auch heute noch. Es gibt vieles, das verbessert werden muss. Ja, die EU muss demokratischer werden. Ja, die EU muss sozialer werden. Ja, die EU muss sich mehr über kulturelle, geistige Werte definieren als über wirtschaftliche Dogmen. Aber sich der EU verweigern? Zurück zum Europa der unmittelbaren Nachkriegszeit, ein Europa der Nationalstaaten, ein Europa der latenten Angst vor dem Nachbar? Nein. Ich will das nicht. I want EU back! Denn, wie heisst es doch so schön in einem Roman von Anna Gavalda: Zusammen ist man weniger allein.

Freundliche Grüsse
Felix Brun
Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Nebs

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Brexit – ein wenig anders

Ernst, gewichtig, warnend, aber auch etwas verloren und ziemlich ratlos  – so präsentieren sich die Kommentatoren zur Zeit in den Medien zum Thema des Tages. Hier ein Versuch, einen anderen Akzent zu setzen:

Selbstverständich bedauert die NEBS (Neue Europäische Bewegung der Schweiz), dass es zum Brexit kommen musste; das war nicht anders zu erwarten. Überraschend ist jedoch, dass sie am Tag davor etwas dagegensetzt hat:

Wettbewerb: Kurzfilme zum Thema Schweiz-Europa gesucht!

Die Schweiz ist stolz auf ihr Filmschaffen und das zu Recht. Dabei geht gerne vergessen, dass die Filmszene Schweiz vom Ja zur Masseneinwanderungsinitiative hart getroffen wurde. Unmittelbar nach der Abstimmung fiel die Schweiz aus dem europäischen Förder- und Vermarktungsprogramm MEDIA.

Wir wollen das nicht hinnehmen und setzen uns für eine auch kulturell eng mit Europa vernetzte Schweiz ein. Deshalb lancieren wir zusammen mit der Zürcher Hochschule der Künste, der Hochschule Luzern und der CISA Lugano einen landesweiten Kurzfilmwettbewerb zum Thema «Sind wir Europa?».

Beiträge werden von einer prominenten Jury benotet, besetzt u.a. mit den Schweizer Filmpreisträgern Stefan Haupt und Ursula Meier. Und die Besten stellen wir anschliessend zur Bewertung online. Zu gewinnen gibt es attraktive Preise – und einen Auftritt Deines Films auf einer richtigen Kinoleinwand! Alle Infos zum Wettbewerb unter:  www.europapolitik.ch/kurzfilm

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Was Sie glauben, über die EU zu wissen, wirklich wissen oder wissen sollten…

Und wenn der Brexit uns unter anderem überdeutlich die unleugbaren Schwächen der EU vor Augen führen sollte, ist es vielleicht an der Zeit, Dichtung & Wahrheit von entbündeln. Wie war das nun wirklich mit dem Grad der Gurkenkrümmung oder dem Umfang eines Hühnereis (die jeweils prompten “lustigen” Erwähnungen, wenn es unter EU-Gegnern um die Institution geht)? Überrascht es Sie, dass diese Idee gar nicht von der EU stammt? Und was wissen Sie sonst über “Brüssel”?

Für die kommenden Sommerferien hat die Nebs ein Quiz zur Europäischen Union gestaltet. Testen Sie ihr Wissen über unseren grossen Nachbarn! Um ihr Wissen vertiefen zu können, finden Sie jeweils am Ende der Fragen einige weiterführende Links zu spannenden Internetseiten.

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John Oliver (Brite) erklärt (einem amerikanischen Publikum) den Brexit

Wenn Sie sich danach belohnen wollen, wie wäre es mit einer amerikanischen Analyse eines (in dieser Sendung noch “etwaigen”) Brexit – auf Englisch natürlich? Ein bisschen derb, teilt aus nach allen Seiten, aber plädiert auf humoristische Weise für einen Verbleib Grossbritanniens in der EU. Zu spät, aber trotzdem sehenswert.


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Der Brexit macht’s spannend

DIE ZEIT widmet dem Thema „Brexit“ viel Platz: mit dem schönen englischen Ledersofa (s. oben), mit interessanten Artikeln und einem Streitgespräch sowie mit den Video-Empfehlungen, die anschauliche Hintergrundinformationen vermitteln. Wie immer: seriös und lesenswert.

Das Foto vom Ledersofa wird nach dem 23. Juni ausgewechselt, ob mit einem Bild der Insel oder mit einem des Tunnels, der sie mit dem europäischen Kontinent verbindet, weiss man zur Zeit nicht. Seit David Cameron jedoch mit der Gefahr eines eventuellen Zerfalls des Vereinigten Königreichs argumentiert, scheint sich eine hauchdünne Mehrheit für den Verbleib Grossbritanniens in der EU herauszuschälen… Ende nächster Woche werden wir schlauer sein.


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Heilige Kriege

Die neueste Ausgabe der ZEIT-Geschichte ist da – und hochaktuell:

Gewalt im Namen Gottes: Vom Mittelalter bis zum Terror des IS

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April 2016: Shakespeare und die Wissenschaft

Shakespeare (wer immer das war) ist tot. Seit 400 Jahren. Es lebe Shakespeare!

Wer war er nun, der Grosse von Stratford-on-Avon? Wir wissen es immer noch nicht, aber der 400. Todestag am 23. April hat wiederum zu allen möglichen Theorien Anlass gegeben. Eine der interessantesten brachte brachte die britische Zeitung MIRROR ins Gespräch:

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Könnte es sein, dass die „Shakespeare“-Stücke von einer Frau verfasst worden sind?

Die Offenbarung, dass eine Frau Shakespeares Stücke geschrieben hat, hätte die damalige Gesellschaft in den Grundfesten erschüttert. Trotzdem: Eine Vermutung geht dahin, dass es sich bei der Verfasserin um Amelia Bassano Lanier handelt, einer Dichterin am Hof von Elizabeth I., die in einigen seiner Sonnette als “The Dark Lady” vorkommt.

Warum gerade sie? Sie war eine Zeitgenossin und eine begabte Dichterin. Besonders wichtig: Sie kam aus einer begüterten Familie, aus der besseren Gesellschaft also, und war vertraut mit Sprache und Gebräuchen dieser Gesellscchaftsklasse. Zusätzlich hatte sie Hebräischkenntnisse und kannte Italien, wo viele Shakespeare-Stücke spielen, denn sie kam aus einer Familie von venetianischen Juden, die nach London übersiedelt waren.

Werden wir je wissen, ob es DEN Shakespeare, den wir „kennen“ und verehren, gegeben hat, oder ob er als Strohmann fungierte für jemanden, von dem die Gesellschaft nicht wissen durfte, dass er ein Stückeschreiber war? Lassen wir die Wissenschaftler weiter forschen, aber inzwischen kann man staunen, wie zeitlos die Stücke sind – und wie wenig die Menschheit sich verändert hat.

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